Mystic Grill

"Marissa", antwortete ich und reichte ihm meine Hand. "Schottland. Wunderschön." Ich war zwar noch nicht dort gewesen, aber was soll´s. "Wieso jetzt Amerika? Besuchst du jemanden?", fragte ich und führte mein Scotch Glas an meine Lippen.

"Nein. Die Ewigkeit kann sehr sehr langweilig sein, also reise ich. Und nach 320 Jahren, ist Amerika an der Reihe. Zudem hat diese Stadt doch ihre Geschichte. Sicher wird es hier für mich interessant." Immerhin hatte ich erst herausgefunden, dass die Sagen wahr waren.

Ich hob die Augenbrauen. "Du bist 320 Jahre alt? Wow." Wie alt war ich? 1 Jahr? Neben ihm fühlte ich mich wie ein Vampir in Windeln. "Dann kann ich es verstehen." Eines konnte ich aber nicht verstehen. "Wieso brauchst du 320 Jahre um nach Amerika zu kommen?", fragte ich schmunzelnd.

"Weil mir viele Steine auf den Weg gelegt wurden." Mehr wusste sie nicht wissen. Von meinen Steinen wusste kaum jemand. Eigentlich niemand. Nun kam meine Bestellung. Ich sah es an. Ich hatte noch nie einen Hamburg live gesehen. Meine erste Einschätzung? Fettig. Ich wischte mir das Fett am Mundwinkel ab.

"Und das isst man hier gern?" Ich rollte lachend mit den Augen. Da aß ich doch lieber nichts und konzentrierte mich auf meinen Scotch. Den Teller schob ich von mir.

Ich blickte zwischen dem Hamburger und ihm hin und her. "Du hast noch NIE einen Hamburger gegessen?" Um Gottes Willen. "Was ist mit Pommes?" Ich bestellte eine kleine Portion Pommes und als der Teller wenig später kam, betrachtete er diese auch komisch. "Die leben nicht, versprochen", sagte ich darauf grinsend. Hatte er noch nie Fish&Chips gegessen? Dann beobachtete ich, wie er langsam abbiss. "Und?" Nun war ich gespannt.

"Ich bin in einem Zeitalter mit Haferschleim aufgewachsen." Besser als dieser Hamburger mit viel zu viel Käse. "Ich genieße eher den guten Alkohol, den es heut zu Tage gibt, als das Essen. Was ist mit dir? Ist du viel menschliche Nahrung?"

"Nur wenn ich es vermeiden will, Menschen auf einem öffentlichen Platz auszusaugen. Manchmal bekomme ich diese Gelüste, wo ich dem nächst besten Menschen in den Hals beißen will, aber ich will auch nicht, dass irgendjemand mir einen Pfahl ins Herz rammt." Ich klaute mir eine Pommes von ihm und schob sie in meinen Mund. Er sah mich mit einem undefinierten Blick an. "Du teilst wohl nicht gerne, was?"

"Ich muss nie teilen, weil ich allein reise." Sie musste noch sehr jung sein, aber etwas an ihr war anders. Das würde ich noch heraus finden. Ich hatte eine gute Kenntnis. Egal ob Mensch, Vampir oder ein anderes Wesen.

"Was hält dich an diesem Ort?"

"Gute Frage", sagte ich seufzend. "Eigentlich nichts." Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung, ob Klaus jemals wiederkommen würde. "Was, keine Freundin, die dich begleitet?"

"Eine Ewigkeit mit einer Frau?" Ich schüttelte lächelnd den Kopf, und sah dann in mein leeres Scotchglas, dass mir der Barkeeper sofort wieder füllte. Wenn dann nur mit dieser einen, aber sie war nicht mehr da.

"Du siehst, dass man 320 Jahre, ohne eine Frau zu Recht kommen kann. Schaffst du das, mit einem Mann?"

"Natürlich, ich weiß, was du meinst." Wenn ich daran dachte. Jeden Tag nur den einen. Das war absolut nichts für mich. "Ich bin lieber auf One-Night-Stands aus." Wusste er überhaupt was das war? "Das ist wenn man einen Mann nur für eine Nacht hat." Ich führte mein Glas an meine Lippen, hielt aber dann inne. "Aber du hast schon...Sex, oder? Ab und zu mal?"

"Hey, ich war nicht 320 Jahre lang in einem Sarg." Nur weil ich, dass Essen dieser Nation nicht kannte, hieß das nicht, das ich unterbelichtet war. "Und sollte man solche Fragen wirklich offen stellen? Das ist nicht sehr damenhaft", stellte ich fest. Sie hatte ein lautes Mundwerk.

"In einem was? Sarg?" Ok, das erinnerte mich zu sehr an die Originals. "Ach komm, sei nicht so prüde. Hast du ab und zu Sex, das ist was ganz natürliches, wenn sich zwei Menschen mögen", sagte ich grinsend. "Ich wäre ehrlich gesagt schockiert, wenn da nichts mehr läuft."

Meine Stirn legte sich in Falten. Wieder eine neue Erfahrung in dieser Stadt. Noch nie hatte ich solch ein Gespräch geführt. "Wieso willst du das wissen? Das ist etwas sehr privates?" Es belustigte und verwirrte mich zu gleich. "320 Jahre ohne Leidenschaft. Nein. Natürlich geht sowas nicht."

"Du bist süß", sagte ich grinsend. Er sprach irgendwie so altmodisch. Jedenfalls klang es so. "Ernährst du dich auch von Menschen? Oder machst du auch diese Blutdiät?" Er sah mich fragend an. "Ich meine damit, ob du dich von Tierblut ernährst."

Ich verzog das Gesicht. "Nein. Es sättigt nicht." Natürlich hatte auch ich das ausprobiert nach wohl einen Jahrhundert Blutlust, aber so Leid es mir auch tat, machte mich diese Tierblutdiat nur aggressiv und das endete für niemanden gut.

"Was bedeutete auch? Tust du das etwa?"

Ich lachte los. "Was? Nein! Wie du sagst, Tierblut sättigt nicht. Ich kenne einen Typen, der sich nur von Tierblut ernährt. Wie kann man nur so einen süßen, kleinen Eichhörnchen aussaugen? Oder einen Hasen?" Ich brachte vielleicht Menschen um, aber ich war definitiv Tierlieb.

"Wer so denkt, sollte auch Vegetarier sein." Ich startete einen neuen Versuch mit diesen langen Kartoffelstreifen. Der Name war mir schon wieder entfallen, aber das war nicht weiter tragisch, denn es war nicht wichtig.

"Willst du deine gewonnene Ewigkeit nur in dieser Stadt verbringen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Es gibt so viele tolle Länder. Ich war bis heute in Frankreich. Ich möchte viel mehr von Europa sehen. Ich selbst bin in Spanien geboren. Warst du denn nur in England bis jetzt?" Ich schnappte mir noch eine Pommes mit viel Ketchup.

"Schottland", verbesserte ich sie, schüttelte aber zugleich den Kopf. "Nein. Ich besuchte vor allem den Norden. Finnland, Schweden. Das sind sehr schöne Länder. Tolle Kultur und wirklich atemberaubende Landschaften."

Der Barkeeper schenkte mir den dritten Scotch nach und ich nahm die die Süßigkeit, die in Gläsern auf den Tischen verteilt war. Salzstangen, wenn ich mich nicht irrte. Das gefielt mir besser.

Ich beobachtete, wie er die Salzstange aß. "Lass mich raten, viel besser als Fastfood?" Wieder der fragende Blick. "Hamburger, Pommes, alles Fastfood nennt sich das." Sein Burger stand immer noch da. "Den isst du nicht oder?" Er schüttelte den Kopf, also nahm ich ihn.

Nach einer Weile des Schweigens, beugte ich mich zu ihr. "Erzählst du mir, was du bist? Ich hörte von Hybriden. Ich traf nie einen, hielte es für ein Ammenmärchen, aber ein Gefühl sagt mir, dass du kein normaler Vampir bist." Den Scotch schob ich zur Seite. Genug für heute.

"Ammenmärchen?" Musste ich wissen, was das war? "Fällt dir das erst jetzt auf?", fragte ich schmunzelnd. Und als er sich vorbeugte, tat ich das gleiche. "Richtig, ich bin ein Hybrid. Werwolf und Vampir. Du magst mich nun nicht weniger oder?", fragte ich kokett und grinste breit.

"Hm. Wenn ein Hybridenbiss töten, wie der einen Werwolfs, dann wahrscheinlich schon." Sie würde sowieso nicht dazu kommen mich zu beißen. Ich war geschickt und schnell. Sie war tot, bevor sie einen ihrer Zähne zeigen konnte.

Vampir und Werwolf. Zwei Flüche treffen aufeinander. Mehr konnte man wohl nicht gestraft sein. "Und wo ist denn dein Rudelführer?" Ich lächelte.

"Wieso plötzlich so neugierig?", stellte ich eine Gegenfrage. "Interessiert dich mein Rudelführer oder willst du einfach nur mehr über mich wissen?" Langsam kam mein spielvolles Grinsen wieder. "Du kannst es ruhig zugeben."